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Synthese aus A-Boot und Unimog – das Hägglunds Raupengespann

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von Alexander Nittner mit Fotos von Matthias Fischer

Hägglunds: Ein für den Militäreinsatz entwickeltes Sonderfahrzeug unterstützt den Katastropheneinsatz

Katastrophen treffen uns zumeist mit voller Wucht. Dann heißt es „helfen was das Zeug hält“ und das über mehrere Stunden hinweg. Mensch und Maschine geraten dabei schnell an die körperlichen bzw. technischen Leistungsgrenzen. Dass dabei höhere Ausfallraten als bei herkömmlichen Einsätzen registriert werden, ist wenig verwunderlich. Zur Unterstützung der Feuerwehren bei Katastropheneinsätzen soll deshalb künftig eine Mischung aus A-Boot und Unimog eingesetzt werden. Die Rede ist vom neuen Sonderfahrzeug „Hägglunds“.

Die Hägglunds-Geschichte beginnt in den frühen 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Das schwedische Militär war damals auf der Suche nach einem geländegängigen, schwimmfähigen und schneetauglichen Transportfahrzeug für Einsätze bei extremer Kälte. Nach einem mehrjährigen Auswahlverfahren machte schließlich die Firma Hägglund & Söner das Rennen. Das eigenwillig aussehende Raupenfahrzeug mit der Bezeichnung „Bandvagn 206“ erwies sich als wahres Allround-Talent bei Einsätzen an Land und zu Wasser. Heutzutage sind diese Vehikel besser bekannt als „Hägglunds“ und bereits in 38 Ländern rund um den Erdball im Einsatz. Sogar die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) in Deutschland setzt speziell im Küstenbereich mehrere Hägglunds-Fahrzeuge ein. Aber auch in Österreich existiert ein solches Raupenfahrzeug. Fündig wird man im Bundesland Salzburg, genauer gesagt in Saalfelden, wo das Bundesheer einen Hägglunds Bv206D als Überschneefahrzeug betreibt.
In der Jägerschule werden damit Übungen im schweren Gelände und auf Schnee absolviert. Also genau dort, wo der Hägglunds seine Stärken unter Beweis stellen kann. Sofern man als Einsatzorganisation oder Privatperson einen nagelneuen Hägglunds erwerben will, muss man sich an den internationalen Rüstungskonzern BAE Systems wenden. Doch wer braucht schon Panzerung, Geschütz oder Maschinengewehr auf seinem Raupenfahrzeug?

Einsatz in Niederösterreich

Subjektiv betrachtet wird Niederösterreich mehrmals im Jahr von Unwetterkatastrophen heimgesucht. Speziell im Marchgebiet bereiten Hochwässer, die über längere Zeit andauern, Kopfzerbrechen. Denn dort werden Dämme bei hohem Wasserstand stark aufgeweicht, was ein Befahren mit schweren, geländegängigen Fahrzeugen oder Booten unmöglich macht. Schließlich wäre die Gefahr eines Dammbruchs während der Arbeiten einfach zu hoch. Genau aus diesem Grund war man im NÖ Landesfeuerwehrverband auf der Suche nach einem geländegängigen Amphibienfahrzeug, mit dem Dämme im Marchgebiet gefahrlos befahren werden können. OBR Kurt Jestl ist im NÖ Landesfeuerwehrkommando für Feuerwehrfahrzeuge zuständig und befasst sich bereits seit mehreren Jahren mit dem Thema Hägglunds: „Das Österreichische Bundesheer hat in der Vergangenheit sehr umfangreiche Tests mit Amphibienfahrzeugen durchgeführten.
Bei diesen Erprobungen durften wir die Leistungsfähigkeit dieser Fahrzeuge hautnah miterleben und hatten auch die Gelegenheit ein Hägglunds-Raupenfahrzeug in Aktion zu sehen. Da aber die Anschaffungskosten eines neuen Hägglunds einfach zu hoch waren, suchten wir nach leistbarem Ersatz.“ Einige Zeit später wurde man auf ein Unternehmen aufmerksam, dass aus gebrauchten Militär-Hägglunds neue Sondereinsatzgeräte fertigt.

Hellgeth engineering: Der Hägglunds-Spezialist

Konstrukteur und Geschäftsführer Jürgen Hellgeth leitet gemeinsam mit seinem Bruder Andreas das in Wurzbach-Rodacherbrunn (Deutschland) ansässige Unternehmen Hellgeth engineering. Der Konstruktionsbetrieb mit 20 Mitarbeitern beschäftigt sich hauptsächlich mit ausgeschiedenen Militär-Hägglunds, die sich bei Hellgeth einer Radikalkur unterziehen lassen müssen. Jürgen Hellgeth erklärt im Brandaus-Gespräch, worum es geht: „Bei uns werden Fahrzeuge nicht einfach nur restauriert. Viel mehr ist es ein kompletter Neuaufbau, der die Wünsche des Kunden zur Gänze abdeckt. Rund 70 Prozent der Teile werden ersetzt, darunter auch Motor und Getriebe. Besonders beanspruchte Elemente werden zusätzlich verstärkt, damit es im Betrieb zu keinen Ausfällen kommt“.

Gerade bei Katastropheneinsätzen kommt es darauf an, dass die Technik auch über einen längeren Zeitraum und unter härtesten Bedingungen einwandfrei funktioniert. Ein Ausfall einer oder mehrerer Komponenten hätte womöglich katastrophale Folgen. Um solch ein Hägglunds- Amphibienfahrzeug auf Herz und Nieren zu überprüfen, reisten die Techniker des NÖ Landesfeuerwehrverbandes ins Marchgebiet. Dort wurde die Geländegängigkeit sowie das Verhalten im Wasser getestet, um zu untersuchen, ob ein solches Sonderfahrzeug für den Katastropheneinsatz in Frage kommen könnte. Während der umfangreichen Tests erkannte man aber sofort das Potenzial des Amphibienfahrzeuges und auch den Nutzen für die Feuerwehren im Hochwassereinsatz.

Anforderungsprofil

Einzig bei der Antriebstechnik im Wasser sahen die Techniker des NÖ Landesfeuerwehrverbandes Handlungsbedarf. Da der Antrieb nur über die Antriebsketten erfolgt und das Vehikel bei starker Strömung schwer zu dirigieren war, musste sich Jürgen Hellgeth nochmals ans Zeichenbrett setzen. Die Lösung war naheliegend und rasch umgesetzt. Ein hydrostatischer Propellerantrieb schaffte Abhilfe und optimiert die Steuerung im Wasser erheblich. Mit dieser Verbesserung war der Hägglunds feuerwehrtauglich. Eine Anschaffung kam somit in Frage. Was folgte waren ungezählte Planungsgespräche mit Jürgen Hellgeth und einige Monate Wartezeit, bis das SOF „Hägglunds“ schließlich seinen Dienst bei der Feuerwehr antreten konnte.

Außergewöhnliche Leistungsfähigkeit auf Wasser, Schlamm und Schnee

Ein Vergleich fällt schwer, denn in Wahrheit gibt es kein Fahrzeug, dass all diese Eigenschaften erfüllt: schwimmfähig, schnee- und extrem geländetauglich. Dank des sogenannten „Tilt-Zylinders“- mit diesem wird das Fahrzeug vertikal geknickt – , der Geländeuntersetzung und Differenzialsperren, sind Steigungen von bis zu 45 Grad eine Fingerübung. Baumstämme, Gräben, Steine oder Begrenzungsmauern werden einfach überfahren, als ob es das Normalste auf der Welt wäre. Selbst Fahrten auf Schlamm oder Schnee zwingen den Hägglunds nicht in die Knie. Denn aufgrund der breiten Gummiketten wird das Gewicht derart großflächig verteilt, dass pro Quadratzentimeter lediglich 0,12 Kilogramm Druck entstehen. Im Wasser wird mit Hilfe der vier unterfahrgeschützten Propeller Fahrt aufgenommen. Unter Volllast sind bis zu fünf Kilometer pro Stunde möglich, dabei setzen die vier hydrostatischen Antriebspropeller rund 35 kW Leistung frei. Die Steuerung an Land und zu Wasser erfolgt über eine sogenannte Knicklenkung, die, einfach gesprochen, lediglich die beiden Module hydraulisch verschränkt. Während der Vorderwagen fix montiert ist und dem Fahrer sowie weiteren fünf Personen Platz bietet, kann am Hinterwagen entweder ein Mannschafts- oder ein Pritschenmodul verankert werden. Mit Hilfe des Hakengeräts, welches auch bei Wechselladefahrzeugen
eingesetzt wird, kann binnen weniger Minuten zwischen den beiden Modulen geswitcht werden.

Im Mannschaftsmodul können bis zu zehn Personen untergebracht werden oder im Notfall auch zwei Europaletten – vorausgesetzt die beiden Sitzbänke sind hochgeklappt. Das Pritschenmodul wiederum schafft vier Europaletten Platz und ist mit einer Nutzlast von rund 2.000 kg speziell für den Transport von Lebensmittel oder schweren Ausrüstungsgegenstände gedacht. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass bei Hochwasserkatastrophen immer wieder ganze Dörfer oder Landstriche von der Außenwelt abgeschnitten werden. Nicht immer stehen innerhalb kürzester Zeit Hubschrauber zur Verfügung, mit denen entweder Menschen gerettet oder Lebensmittel in abgeschiedene Regionen transportiert werden können. Genau in solchen Situationen soll das Sonderfahrzeug „Hägglunds“ ebenfalls zum Einsatz kommen. Schließlich wurde es deshalb angeschafft, um Feuerwehren im Katastropheneinsatz zu unterstützen und um Menschen in Not zu helfen.

Landesrat Dr. Stephan Pernkopf wird das neue Sonderfahrzeug nach einer Einschulungsphase an den NÖ Landesfeuerwehrverband offiziell übergeben.


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